Sexualisierte Gewalt ist ein weltweit zu beobachtendes und gesamtgesellschaftliches Problem. Häufig wird sexualisierte Gewalt in Verbindung mit (ehrenamtlicher) Arbeit für Minderjährige und schutz- oder hilfebedürftige Erwachsene gebracht. Sexualisierte Gewalt kann jedoch alle betreffen, da sie überall dort auftreten kann, wo Menschen einander begegnen.

Relevanz des Themas bei Zugvögel – Grenzen überwinden e.V.

Auch in- und außerhalb der Vereinsarbeit der Zugvögel und der dazugehörigen Partnerstrukturen können Menschen sexualisierte Gewalt erfahren: In die Vereinsarbeit involvierte Personen, seien es Mitglieder des Vereins oder der Partnerstrukturen, können bei Vereinstreffen (z.B. Regionalgruppentreffen, Seminaren oder Mitgliederversammlungen) oder im privaten Kontakt zu Betroffenen werden, sexualisierte Gewalt beobachten oder persönliche Grenzen anderer Personen bewusst oder unbewusst verletzen. Auch Seminarteilnehmende können potenziell Opfer sexualisierter Gewalt werden, diese beobachten oder über Dritte davon erfahren.

In unserem Verein legen wir großen Wert auf Partnerschaftlichkeit, wertschätzendes Miteinander, gewaltfreie Kommunikation und gendersensibles Handeln. Dennoch hat es auch in unseren Reihen bereits Fälle sexualisierter Gewalt gegeben. Im Dezember 2020 hat der Verein den Arbeitskreis „Prävention sexualisierter Gewalt“ gegründet. Dieser Arbeitskreis möchte dazu beitragen, dass im Kontext der Vereinsarbeit zukünftige Fälle sexualisierter Gewalt verhindert werden und dass Klarheit in der Reaktion auf Fälle sexualisierter Gewalt besteht. Hierbei gilt es zu beachten, dass sexualisierte Gewalt Betroffene oft sprachlos und handlungsunfähig macht und es teilweise Jahre dauern kann, bis Vorfälle als solche benannt und kommuniziert werden.

Außerdem findet unsere Vereinsarbeit im Kontext globaler und institutioneller Machtstrukturen statt, die beim Umgang mit sexualisierter Gewalt mitgedacht werden müssen. Sowohl Sexismus als auch Rassismus können zum Entstehen sexualisierter Gewalt beitragen, da sexualisierte Gewalt immer eine Machtkomponente besitzt und durch Diskriminierung begünstigt wird.

Deshalb ist es uns umso wichtiger, als Verein aktiv Stellung gegen sexualisierte Gewalt zu beziehen, uns fortzubilden und für das Thema zu sensibilisieren und sowohl Präventions- als auch Reaktionsmaßnahmen zu etablieren. Wir finden es wichtig, Vertrauen zu schaffen, sexualisierte Gewalt zur Sprache zur bringen und damit zusammenhängende Unsicherheiten abzubauen. Gemeinsam möchten wir transparente Handlungsschritte und konkrete Reaktionsmaßnahmen erarbeiten und kommunizieren. Betroffene sollen wissen, wo sie sich Unterstützung holen können und welche Rechte sie haben. Aus diesen Gedanken heraus ist das vorliegende Schutzkonzept entstanden.

Was verstehen wir unter sexualisierter Gewalt?

Allgemein ist sexualisierte Gewalt jede Form von sexueller Handlung, die entweder gegen den Willen der Betroffenen vorgenommen wird, oder der die Betroffenen aufgrund körperlicher, psychischer, kognitiver oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Sexualisierte Gewalt wird gemeinhin in drei Kategorien unterteilt, hier definiert auf einer Skala mit ansteigendem Schweregrad:

  1. Grenzverletzungen: einmaliges oder gelegentlich unangemessenes Verhalten, z.B. die Missachtung persönlicher Grenzen, etwa in Form unerwünschter Umarmung oder sexualisierter Sprache.
  2. Sexuelle Übergriffe: beabsichtigte und massive Grenzüberschreitungen und die Missachtung der verbal oder nonverbal gezeigten (abwehrenden) Reaktionen der betroffenen Person.
  3. Sexueller Missbrauch: Gewalthandlungen ohne (z.B. Pornos) oder mit Körperkontakt (vom Versuch, die Genitalien zu berühren, bis zur Vergewaltigung). In Deutschland ist dies eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung – das heißt auch, dass sexuelle Handlungen an oder mit Kindern (< 14 Jahren) immer strafbar sind, unabhängig davon, ob das Kind seine Zustimmung gegeben hat.

Die Definitionsmacht bzw. Einordnung auf der Skala liegt immer bei der betroffenen Person. Bei Formen sexualisierter Gewalt wird Macht bewusst oder unbewusst ausgeübt bzw. missbraucht. Es handelt sich deshalb nicht nur um ein privates, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Unsere Position als Verein

Wir, der Verein Zugvögel – Grenzen überwinden e.V., stellen uns entschieden gegen alle oben beschriebenen Formen von sexualisierter Gewalt, die im Kontext der Vereinsarbeit und im privaten Kontakt der in die Vereinsarbeit involvierten Personen auftreten können. Wir verpflichten uns dazu, Betroffene und Dritte, die über Vorfälle von sexualisierter Gewalt berichten und dagegen einstehen, zu schützen und ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten auf Wunsch Hilfe zu leisten. Wir positionieren uns an der Seite der Betroffenen und schenken ihrem Erleben Glauben. Die Zugvögel stehen für sichere Räume („safe spaces“) ein und versuchen in der Zusammenarbeit vertrauensvolle Zusammenkünfte zu schaffen, in der als Gewalt erlebte Begegnungen keinen Platz finden.

Grundsätzlich ist das Ziel der Zugvögel, sexualisierte Gewalt zukünftig zu verhindern und stärker für das Thema zu sensibilisieren. Sollte dennoch ein Fall sexualisierter Gewalt auftreten, sollen die vorliegenden Leitlinien helfen, zügig und angemessen auf die Gewaltsituation zu reagieren. Die Zugvögel stellen sich klar gegen sexualisierte Gewalt und unternehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles, um eigene Machtstrukturen zu hinterfragen und abzubauen und so Partnerschaftlichkeit, wertschätzendes Miteinander, gewaltfreie Kommunikation und gendersensibles Handeln aktiv zu fördern und auszubauen.

Anmerkung:

Dieser Text ist ein Auszug aus unserem Schutzkonzept zur Prävention von und Reaktion auf sexualisierte Gewalt. Ein weiterer Auszug dieses Dokuments, der Verhaltenskodex, kann hier auf unserer Homepage gelesen werden.

Weiterführende Informationen zur Definition des Begriffs sexualisierter Gewalt finden sich beispielsweise auf folgenden Webseiten: „medica mondiale e.V.“; „Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch“ und „CORA – Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche und sexualisierte Gewalt in M-V“