Seit Dezember schreiben wir, die Regionalgruppe Lüneburg, regelmäßig eine Klozeitung. Dort wollen wir über Themen von verschiedensten Ländern und Kontinenten berichten, die unserer Ansicht nach nicht genug Aufmerksamkeit in der Berichterstattung bekommen. Nun ist unserer Universität aufgrund von Corona geschlossen und die Unitoiletten bleiben leer – auf unsere Klozeitung wollen wir trotzdem nicht verzichten! Deshalb veröffentlichen wir die digitale Klozeitung sowohl hier auf der Zugvögel Website, als auch auf der Facebookseite der Regionalgruppe Lüneburg:

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Mittwoch, den 09.06.20, Mexico

“Solidaritäts-Antikörper”

Hallo, mein Name ist José Luis und ich komme aus Mexiko. Mein Land ist ein Ort voller Kultur, Farbe, Feiern und Tradition. Ich glaube, eines der wichtigsten Dinge, die uns kennzeichnen, ist der Geist der Brüderlichkeit und Gemeinschaft.

Vor Monaten ist die Welt stehen geblieben, es ist lange her, dass so etwas passiert ist, denn als Menschen sind wir es gewohnt, einen Großteil unserer Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. Das Auftreten eines Virus, der das Leben verändert hat, sowohl positiv als auch negativ. Ich sage positiv, weil er die Welt auf die Realität aufmerksam gemacht hat, um uns innerlich kennen zu lernen, um über die Person nachzudenken, die neben uns lebt und möglicherwiese allein lebt oder krank ist, um andere Horizonte zu betrachten, die wir sonst ignorieren würden und dass uns der Schmerz manchmal gleichgültig ist, ein Virus, der uns auf die Gegenwart aufmerksam machte. Negativ, denn genau wie Du, die Person, die das hier gerade vielleicht liest, haben auch in meinem Land viele Menschen ihre Arbeit verloren, leben allein oder leben sogar in extremer Armut, wie viele Menschen auf der ganzen Welt.

Mexiko ist ein Land, das politisch verletzt wurde, viele Herrscher sind an der Macht, leider gibt es viele Mängel, wie den gleichen Zugang zu Bildung und Gesundheit, vor allem in isolierten Gemeinden oder in indigenen Dörfern, Orten, an denen sich die am härtesten arbeitende Bevölkerung befindet, sowie Menschen, die dieses Land mit ihrem Engagement, ihrer Arbeit, Liebe und Anstrengung aufrechterhalten und dafür jeden Tag aufstehen und weitermachen. Sie sind Menschen, die motivieren.

Angesichts dieser Pandemie war und ist das Land manchmal immer noch gespalten in glauben oder nicht glauben, dass dieser „Coronavirus“ tatsächlich existiert, dass es nach so vielen Lügen und Irrtümern der ein und derselben Regierung den Menschen oft schwerfällt den Informationen zu vertrauen, die unsere Regierenden uns geben, so dass sie es vorziehen zu glauben, dass alles falsch und nur eine weitere Lüge sei. Einige andere sind sich der Situation auf der ganzen Welt bewusst, aber gleichzeitig müssen sie arbeiten gehen und Nahrung und Unterhalt für ihre Familien verdienen, darunter auch ältere Menschen, alleinerziehende Mütter und Menschen mit Behinderungen.

Aus diesem Grund hat eine große Gruppe von Freunden, die sich in unserer Pfarrei „St. Bartholomäus der Apostel“ gebildet hat, beschlossen, ein Hilfsnetzwerk zu bilden, indem wir unsere Familien, Freunde und Bekannten einladen, ein Bewusstsein für die aktuelle Situation zu schaffen, da es neben der Sorge um unsere Gesundheit auch an der Zeit ist zu teilen und solidarisch zu sein. Wir wissen, dass unsere Regierung vielleicht diese Maßnahme ergreifen und die Bevölkerung unterstützen sollte, aber wir glauben, dass es nur zwei Optionen gibt:

1. Man kann sich zurücklehnen und darauf warten, dass es passiert, was wirklich sehr selten vorkommt, und wenn es doch passiert, dann nur aus politischem Nutzen, z.B. für eine Abstimmung oder um Empathie bei den Menschen zu wecken

2. Oder wir können aktiv werden, aufstehen und andere ermutigen, das Gleiche zu tun, den Unterschied zu machen, der in der Welt gebraucht wird.

Ich bin sehr dankbar für die positive Resonanz, die wir erhalten haben. Viele Menschen haben nach und nach dazu beigetragen, dass all dies möglich wurde. Wir hatten die Gelegenheit mehr als 80 Familien aus verschiedenen Gemeinden in unserer Nähe zu besuchen, dabei haben wir natürlich Vorkehrungen getroffen, um alle beteiligten Personen und die Familien, die wir besucht haben, zu schützen. Im Laufe der Zeit ist die Zahl der mit COVID infizierten Menschen drastisch gestiegen und hält auch innerhalb unserer Gemeinschaft weiter an, aber es gibt immer noch Menschen, denen verlässliche Informationen darüber fehlen, wie sie auf sich selbst schützen und was sie tun sollen, wenn sie infiziert sind. Unsere neue Aufgabe besteht darin diese Informationen in unsere Gemeinde zu bringen und gemeinsam können wir für uns selbst sorgen und anderen helfen.

Dazu haben wir Plakate mit klaren Informationen und Geschichten für Kinder gemacht, mit denen sie auch von zu Hause aus einen Beitrag leisten und die Situation verstehen können, die viele Menschen durchmachen.

Ich bewundere all diese Menschen, denen ich auf meinem Weg begegne. Sie mögen zwar eine schwierige Zeit durchmachen, aber sie haben eine immense Kraft und einen Glauben, der mich motiviert und mir hilft zu verstehen, warum wir dies tun.

Was die Menschen in diesen Tagen am meisten geschätzt haben, ist nicht nur das Essen, das sie erhalten, am wertvollsten ist für sie, dass jemand an sie denkt, an ihre Tür klopft und sie fragt „Wie geht es dir?“ und sie sich gehört fühlen können.

Während dieser Quarantäne habe ich gelernt, dass wir nicht nur Lebensmittel bringen, sondern dass wir auch „Solidaritäts-Antikörper“ bei anderen entwickeln und ein Netzwerk schaffen können, das denen, die es brauchen, Hoffnung und Schutz bringt.

 

Was Dich hier erwartet: Mit der Zugvögel-Post versorgen wir euch jede Woche mit News aus dem globalen Süden.

 

Hier findet ihr die alten Klozeitungen:

25.05.2020 Das US-Drohnenprogramm

10.05.2020 Die offenen Arme der ecuatorianischen Quarantäne

26.04.2020 Wie die indigene Bevölkerung Südamerikas im Kampf gegen das Corona Virus im Stich gelassen wird

18.04.2020 Offener Brief von afrikanischen Intellektuellen zu Covid19

03.04.2020 El estado opresor es un macho violador

18.02.2020 Die Betroffenen der verschärften Polizeigesetze

10.02.2020 Legalisierung der Abtreibung in Argentinien

02.02.2020 We must dimantle our colonial system

16.01.2020 Äthiopiens neuer Damm

09.01.2020 Proteste in Indien

16.12.2019 Chile ist aufgewacht

09.12.2019 Ein jahrzehntelanger Kampf gegen Shell

02.12.2019 Die Wächter des Waldes